Beiträge für Schausteller und Kinderkrippen. Staatshilfe für den öffentlichen Verkehr. Nachtragskredite für Corona-Tests. Kostet die Coronakrise den Bund immer mehr? Bundesrat Ueli Maurer nimmt Stellung.
SRF News: Wann hatten Sie das letzte Mal eine schlaflose Nacht wegen der steigenden Corona-Schulden?
Ueli Maurer: Deshalb habe ich keine schlaflosen Nächte. Man kennt ja die Probleme und muss sie lösen. Ich schlafe trotzdem gut. Aktuell zeigen unsere Hochrechnungen auch, dass wir weniger Geld ausgeben werden als befürchtet. Das Parlament hat etwas über 30 Milliarden Franken bewilligt. Wir werden etwa 18 Milliarden davon brauchen. Dann gibt es weniger Einnahmen, das wird dann zusammen etwa 22 Milliarden mehr Schulden ergeben Ende Jahr.
Die Wirtschaft ist im Frühjahr um 25 Prozent eingebrochen, im Moment sind wir noch etwa bei minus fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie schätzen Sie die Wirtschaftslage ein?
Wir sind relativ stabil unterwegs, insbesondere dank der Pharmaindustrie. Auch in den KMU läuft es recht gut. Die Export-Industrie, der Maschinenbereich, hat Mühe. Die haben leere Auftragsbücher zum Teil bis Mitte des nächsten Jahres.
Wir rechnen dieses Jahr mit etwa drei Milliarden Steuerausfall. Und etwa gleich viel im nächsten Jahr.
Und im Tourismus haben wir, insbesondere im städtischen Tourismus, grosse Einbrüche. In der Reisebranche läuft noch gar nichts. Der ganze Flugbetrieb kommt nicht in die Luft. Dort, wo wir Mühe haben, haben wir echt Mühe.
Bei den erwähnten Corona-Schulden sind die Steuerausfälle der kommenden Jahre noch nicht berücksichtigt. Das kostet auch noch einmal Milliarden.
Wir rechnen dieses Jahr mit etwa drei Milliarden Steuerausfall. Und etwa gleich viel im nächsten Jahr. Wir gehen davon aus, dass wir 2024 in etwa wieder die Situation von vor Corona erreichen werden. Das heisst, es gibt noch drei recht schwierige Jahre mit den Steuern.
Es sollte aber trotzdem möglich sein ohne Steuererhöhungen. Wir werden das stemmen können. Aber wir müssen sehr diszipliniert sein bei den Ausgaben. Und die Situation im Moment macht mir etwas Sorge, weil man dem Geld immer noch mehr Geld nachwirft.
Sie haben im Parlament im Frühling gesagt, es gebe keinen Rappen mehr. Sie hockten auf der Kiste.
Ich versuche es. Aber die Versuchung ist natürlich gross. Die Parlamentarier kommen aus ihren Regionen. Dort hat man noch Probleme. Und der erste Ruf ist derjenige nach Bundesgeldern. Der Bund versucht, die Bevölkerung zu schützen und die Wirtschaft zu unterstützen. Aber das alles ist nicht grenzenlos. Es gibt nicht null Risiken in der Kasse und null Risiken im Gesundheitsbereich.
Die Frage bleibt: Wie viel Wirtschaftsleistung sind wir bereit zu opfern für den Gesundheitsschutz? Steuern wir auf einen zweiten Lockdown zu?
Wir können uns keinen zweiten Lockdown leisten. Dafür haben wir das Geld nicht. Das heisst, wir müssen risikobasierte Massnahmen treffen. Das heisst auch, dass man wahrscheinlich Risiken eingehen muss im Gesundheitsbereich.
Wir können uns keinen zweiten Lockdown leisten. Dafür haben wir das Geld nicht.
Aktuell diskutiert man auch, ob die Quarantäne-Vorschriften noch Sinn machen, wenn die Schweiz nach der eigenen Definition nun selber ein Risikoland ist. Ist die Quarantänepflicht wirtschaftlich noch verkraftbar?
Das macht mir natürlich sehr viel Sorge, weil man jetzt sehr rasch die Leute in Quarantäne schickt. Wir brauchen dringend mehr Tests, um festzustellen, wer wirklich infiziert ist. Wir diskutieren schon, wie schnell wir die Leute, die negativ sind, auch wenn sie in einem gefährdeten Gebiet waren, wieder in die Wirtschaft, an den Arbeitsplatz zurückschicken können.
Das Gespräch führte Erwin Schmid.